Kurz bevor coronamäßig gar nichts mehr ging, sind wir noch nach Sardinien gereist. Eine allzu verlockende Einladung in ein Bergdorf, nach Mamoiada, war der Grund, im sonst so unwirtlichen Januar aus unserem gemütlichen Nest über dem Gardasee auf die große Insel überzuwechseln. Man wollte uns eine interessante Aktion der Dorfbewohner vorstellen, die sie alle ganz nah zusammenrücken ließ. Und dabei zum Auftakt des Karnevals am aufregenden Sant´Antonius-Feuer teilnehmen lassen.
Bei unserem Besuch stellten wir unsere Fragen an Mario Paffi von der Cooperativa Viseras, zuständig für die drei kleinen Museen des Dorfes sowie für die weiteren sozialen wie wirtschaftlichen Aktivitäten in Mamoiada.
Wie funktioniert es, Koordinator von gleich drei Museen zu sein?
Bei der minimalen Größe unserer Museen müssen wir uns immer etwas Neues einfallen lassen, um Besucher anzulocken. Die meisten zählt das Museo delle Maschere Mediterranee, also das Masken-Museum, das die Schäfer-Kulturen des Mittelmeerraumes einbezieht. Das Museo della Cultura e del Lavoro sowie unser noch winzigeres Museo Archeologico MaTer sind richtig mamoiadisch.
Mit welchen Aktivitäten konnten Sie sogar EU-Gelder von der Region erhalten?
Wir haben diverse Betriebe Mamoiadas mit ins Boot genommen, etwa Winzer, die selber abfüllen, was früher nicht üblich war, obwohl wir hier den einzig echten Cannonau, diesen herrlichen Rotwein, auf kleinen Parzellen produzieren. Wir sind insgesamt nur 2550 Einwohner und besitzen inzwischen 31 Weinkellereien, die sorgfältig unter önologischer Anweisung Wein produzieren und abfüllen.
Und die übrige Infrastruktur im Dorf?
Immer mehr B&B machen auf, relativ kleine Strukturen, ein Overtourism ist nicht zu befürchten… Auch an Kneipen haben wir keinen Mangel, allein im Ort selber sind es 17 Lokale! Und immer mehr junge Leute sorgen für ein modernes Facelifting, was sogar bei unseren alten Herrschaften gut ankommt.
Mamoiada ist ja der Geburtsort der Mamuthones und Issohadores, ist das auch ein Zugpferd?
Klar, die schrecklich aussehenden Mamuthones mit ihren langen Fellen, riesigen Glockengehängen und schwarzen Masken sind wie die sie antreibenden Issohadores die Symbolfiguren des Karnevals, der bei uns am Sant´Antonius-Tag, dem 17. Januar, eingeläutet wird. Mit mindestens 40 Riesenfeuern im ganzen Dorf. Am nächsten Tag ziehen die beiden Symbolgestalten durch den Ort und tanzen um die Feuer. Da kommen Neugierige von weither und auch die Bewohner Mamoiadas lassen sich das nicht entgehen.
Reicht das für neue, vor allem nachhaltige Impulse?
Durch die Masken der Mamuthones ist ein reges Kunsthandwerk entstanden, die Masken sind sehr begehrt, auch als Mitbringsel. Vor allem: Alle im Dorf haben erkannt, dass sie voneinander profitieren, wenn sie zusammenhalten. Sie sehen ja, wie viele junge Leute mitmachen und hier wohnen geblieben sind, weil sie eine Perspektive für ihre Zukunft sehen.
Das Antonius-Feuer im Inselinneren
Beim Schlendern Mitte Januar durch Mamoiada fallen riesengroße Haufen von Eichen-Wurzelstöcken auf, auf den Plätzen, vor den Kirchen, in privaten Innenhöfen. Für die traditionellen Masken, rätseln wir? Nein, für die großen Feuer zu Ehren des Ortsheiligen Sant´Antonio am 17. Januar, die schon am Tag zuvor nach einer ernsten Prozession durch den Priester geweiht werden. Allein 40 Feuer – keines der Nachbardörfer in der Barbagia kann da mithalten – brennen 48 Stunden lang. Sie werden nicht nur bewacht, sondern sind Treffpunkt der Viertelbewohner, von Freunden und von Besuchern, die eingeladen werden. Zum Trinken des köstlichen Cannonau, zum Probieren des lockenden Karnevalsgebäcks, und natürlich zum Diskutieren – Hauptsache, es wird fröhlich.
Am 17. Januar brennen die Feuer ja noch immer, und ab dem Nachmittag tanzen die maskierten Mamuthones und Issohadores um sie herum, ein rhythmischer Tanz zu lauten Instrumenten. Immer wieder springen die Mamuthones und stampfen auf den Boden, der damit rituell zum Leben erwachen und für die neue Aussaat bereit sein soll.
Mehr über Mamoiada und über die ganze wunderschöne Insel mit ihren engagierten Bewohnern ist bald zu lesen in unserem gemeinsamen Buch „Glücksmomente Sardinien“, das im Münchner Verlag Bruckmann erschienen ist.

Vorbereitung auf den Umzug zum Antonius-Feuer in Mamoiada
Feines Mandelgebäck und beste Cannonau-Weine von lokalen Winzern
Auch große Tradition in Mamoiada: Pecorino-Produktion und Spitzenarbeiten; unten: das berühmte Antonius-Feuer
Stolze Stadt auf eigenem Plateau
Der Corso Gariabaldi, spätestens abends als Fußgängerzone für Fahrzeuge tabu, ist wie die Via La Marmora genau richtig, um an einem der zahlreichen Cafès bei einem Aperitif oder caffè zu sitzen und die flanierenden Nuoresi zu beobachten. Vielleicht nach einem intensiven Besichtigungsprogramm, denn Nuoro im Herzen des Herzens der Insel prahlt nicht nur mit einer schönen Lage auf eigenem Plateau zu Füßen des >Hausberges< Ortobene, es besitzt außerdem ein paar wirklich sehenswerte Museen. Und neuerdings ein fantastisches Kulturzentrum, das auch für Sonderausstellungen Platz bietet, das Spazio Ilisso des gleichnamigen Verlages. Bald sollen Skulpturen einheimischer Künstler die beiden Gärten vor und hinter dem großbürgerlichen Haus eines früheren Bürgermeisters mitten in der Altstadt, der Casa Papandrea, installiert werden.
Fußläufig in wenigen Minuten durch die schön restaurierten Altstadtgassen erreichbar, wurde im früheren Elternhaus der Grazia Deledda das Museo Deleddiano eingerichtet. Der berühmtesten sardischen Dichterin und Literaturnobelpreisträgerin gewidmet, zeigt es Dokumente und Erinnerungsstücke, die dem Besucher Grazia Deledda näher bringen sollen und es tun. Allein die Vorratskammer, in der sich Grazia so gerne versteckte, weil es da so schön nach Gewürzen duftete und es noch tut! Gleichzeitig gibt ihr Elternhaus einen guten Einblick in Wohnsitz und Lebenswelt einer wohlhabenden sardischen Familie.
Auf dem kleinen Sant´Onofrio-Hügel liegt Museo Etnografico Sardo. Um zwei Innenhöfe gruppieren sich rekonstruierte Häuser aus verschiedenen Regionen der Insel, in denen Ausstellungsräume untergebracht sind. Zu den Kostbarkeiten dieses Volkskundemuseums gehören die Trachten mit ihren reichen Stickerein. Dazu gehören natürlich die Karnevalskostüme wie die Merdules aus zotteligem Schaffell oder die geradezu furchterregenden Mamuthones mit ihren schweren großen Glocken. Die Handwerksabteilung präsentiert u.a. einen typischen Webstuhl, traditionelle Musikinstrumente und reich geschnitzte Holztruhen. Bis heute bewahren sardische Familien Aussteuer und Trachten in solchen Möbeln. Waffen, Amulette, Messing- und Silberknöpfe runden die umfangreichen Sammlungen ab, und natürlich Schmuck.
Sieben Kilometer sanfte Kurven sind es bis zum Gipfel des 955 Meter hohen Monte Ortobene. Unterwegs queren die Straße immer wieder dünne Wasserläufe, die dem dichten Macchiawald, durchsetzt mit Steineichen, geduckten Zypressen und Pinien entspringen. Am Wochenende ist die Strecke mit Fahrzeugen zugeparkt, Ausflügler mit vollen Picknickkörben erobern die Abhänge, am liebsten nahe den beiden Quellen, die dort entspringen. Cuccuru Nieddu nennen die Nuoreser ihren Hausberg, von seinem Gipfel genießen sie den schönsten Blick über ihre Stadt und weit hinaus. Auf der Aussichtsplattform erhebt sich seit 1901 die sieben Meter hohe Bronzestatue des Redentore, des Erlösers, zu dessen Ehren Ende August das wichtigsten Fest Nuoros begangen wird – die Sagra del Redentore.
www.provincia.nuoro.gov.it; für alle Museen Nuoros s. www.isresardegnaa.it/musei
Im Museo der Nobelpreisträgerin Grazia Deledda in Nuoro